Wie würdest du deine Kunst in einem Satz beschreiben?
Meine Kunst ist ein ruhiger Ort des Rückzugs, voller Wesen, die Teile unserer inneren Welt widerspiegeln. Dabei zeigt sie unsere innere Stärke genauso wie unsere Zerbrechlichkeit.
Was ist die zentrale Botschaft deiner Werke?
Du trägst innere Stärke in dir, auch wenn du Angst hast, und sie kann wachsen, wenn du sie nährst.
Gibt es ein bestimmtes Symbol oder Motiv, das in deiner Kunst immer wieder auftaucht? Warum?
Ja, die Verwendung solcher Symbole begann ganz intuitiv. Zum einen ist es die Frau, mit ihrer Weichheit steht sie für die Seele des Menschen. Hörner, mit ihrer Härte, stehen für mich für Kraft
und Erhabenheit. Wurzeln finden sich oft in meinen Bildern wieder. Sie symbolisieren die Verbundenheit zur Natur und unserer inneren Stärke, ein anderes Mal können sie aber auch ein Hinweis auf
eine Art Gefangenschaft sein. Blüten stehen für Wachstum und Hoffnung.
Deine Serie „Verwurzelt“ – was bedeutet Verwurzelung für dich persönlich?
Bei dem Wort Verwurzelung denke ich zum einen an eine Art Urvertrauen in mich selbst. Die Fähigkeit, eine Beziehung mit mir selbst zu führen – eine Kompetenz, die wir unser ganzes Leben stärken
können. Zum anderen denke ich an die Verwurzelung zur Natur, zu der wir gehören, auch wenn wir uns immer weiter von ihr entfernen und uns somit selbst gefährlich werden.
Warum hast du dich für Ölmalerei entschieden? Was fasziniert dich daran?
Jedes Medium übt auf mich seine eigene Faszination aus. Ich habe mit so vielen verschiedenen Farben und Materialien gearbeitet, weil ich Begeisterung für fast alle Arten von Kunst empfinde. Nach
den ganzen Materialien, die man einem Kind zum bildnerischen Gestalten zur Verfügung gestellt bekommt, habe ich begonnen, mit Bleistift und Graphit zu zeichnen. Da war ich schätzungsweise 13
Jahre alt.
Schon kurze Zeit danach machte ich einen kurzen Abstecher in die Ölmalerei, nachdem ich auf dem Ku’damm in Berlin die Porträtmaler beobachtet hatte. Sie arbeiteten mit einem trockenen Pinsel und
sehr wenig schwarzer Ölfarbe auf Ingrespapier. Daran übte ich mich kurzzeitig.
Dann fand ich Gefallen an Pastellkreiden. Nach dieser farbigen Phase wechselte ich zur Kohlezeichnung und arbeitete sehr minimalistisch in Schwarz-Weiß mit ganz wenig Rot. Dabei entstand eine
Serie namens „Lily“. Sie zeigte ein Mädchen ohne Gesicht, mit zerzaustem, langem Haar, welches ihr eigenes Herz in der Hand trug. Später führte ich Lily auch in die farbige Welt der Acrylfarbe.
Der Name Lily begleitet mich seither, so kam auch mein Nutzername auf Instagram zustande: Atelier_Lilyarts.
In einer Ausstellung in der Strychnin Gallery in Berlin sah ich zu jener Zeit dreidimensionale Arbeiten, die mich sehr inspirierten. Von da an sammelte ich alles, was verrostet und skurril war,
um daraus in Verbindung mit Modelliermassen, Stoff, Fensterkitt, Naturmaterialien und Gips Assemblagen zu fertigen.
Parallel dazu und zur Malerei in Acryl tastete ich mich wieder an die Ölmalerei heran, aber diesmal mit deckendem Pinselstrich. Meine Ergebnisse überzeugten mich kaum, und der Gestank des
Terpentinöls verursachte bei mir Kopfschmerzen. So konzentrierte ich mich mehr auf die Acrylmalerei.
Ein Medium, welches ich immer als langweilig empfand, fand vor einigen Jahren den Weg zu mir, als der Großvater einer Kollegin verstarb und ich von ihm eine Menge nostalgisches Künstlermaterial
erbte, darunter auch Aquarellfarben. Diese nutzte ich hauptsächlich für Mixed-Media-Arbeiten, gemischt mit Markern, Finelinern, Pastellkreide, Buntstiften, Schlagmetall und Tusche. Ich liebe es
noch immer.
Dass ich mit der Ölmalerei nie zu den gewünschten Ergebnissen gekommen war, wurmte mich, denn ich liebe die satten und tiefen Farben, welche sie erzeugen können, und ich bewundere den Realismus,
der mit ihnen erzielt werden kann. Also nahm ich vor ein paar Jahren den dritten Anlauf, und siehe da: Alle guten Dinge sind drei. Diesmal musste ich mir auch keine Gedanken mehr über den Gestank
des Terpentinöls und des Verdünners machen, denn die Erfindung von wasservermalbarer Ölfarbe macht diese überflüssig.
Heute liegt mein Fokus auf diesem Medium, und ich liebe die Vielfältigkeit, die dieses Material mit sich bringt. Man kann Ölfarbe in so vielen unterschiedlichen Techniken verwenden, und dadurch
bietet sie mir die Möglichkeit für eine Fülle an Ausdrucksmöglichkeiten.
Wo findest du deine Inspiration?
Inspiration kann ich in allem finden. Schwierig ist es, sich nicht von allem inspirieren zu lassen. Sich auf ein bestimmtes Thema zu fokussieren und sich nicht ablenken zu lassen, ist eine Sache,
die ich erst lernen musste.
Wie sieht ein typischer Tag in deinem Atelier aus? Gibt es Rituale oder Besonderheiten?
Ein Tag in meinem Atelier beginnt direkt nach dem Aufstehen. Das Frühstück kann warten. Sobald ich aus dem Badezimmer komme, gehe ich an meine Staffelei. Ich liebe es, Hörspiele zu hören, wenn
ich male. Musik ist auch toll, sie beeinflusst meine Stimmung allerdings sehr schnell und muss darum genau ausgewählt werden. Der Hunger zwingt mich nach ein paar Stunden zu einer Pause, manchmal
ist es auch der Rücken. Danach geht es weiter. Natürlich bestehen meine Tage im Atelier nicht nur aus Malen, auch wenn ich es am liebsten so hätte. Es gibt auch viele andere Arbeiten, die
erledigt werden müssen. Da ist zum Beispiel die Pflege meiner Homepage, das Fotografieren der Kunstwerke, das Erstellen und Versenden des Newsletters, Social Media und vieles mehr.
Wie gehst du mit Herausforderungen im kreativen Prozess um?
Ich liebe die Herausforderung im kreativen Prozess. Warum sonst hätte ich so viele unterschiedliche Medien bedient? Wenn ich etwas sehe, will ich es ausprobieren, es brennt mir unter den Nägeln,
und ich bin voller Vorfreude auf die Erfahrung, die ich machen werde. Im Moment besteht die Herausforderung für mich darin, mich nur auf die Ölmalerei zu konzentrieren und meine Technik
weiterzuentwickeln. Dabei halte ich mir vor Augen, welche Früchte es tragen wird, wenn ich dranbleibe, und ganz wichtig ist für mich auch, dass ich mich selbst an meinen Fortschritten erfreue –
dass ich mir bewusst mache, wie weit ich schon gekommen bin.
Was macht dir beim Malen am meisten Freude?
Ich liebe das Verblenden von Farbübergängen und das Setzen von Highlights.
Erinnerst du dich an den Moment, als du entschieden hast, Künstlerin zu werden?
Ich habe das nie entschieden. Ich war es schon immer. Egal, ob ich ein Werk verkaufe oder nicht, ich bin Künstlerin – das kann mir niemand absprechen.
Was möchtest du, dass Menschen fühlen oder denken, wenn sie deine Gemälde betrachten?
Am schönsten für mich ist es, wenn sich jemand emotional abgeholt fühlt, wenn ich mit meiner Kunst dazu beitragen kann, dass sich jemand verstanden oder weniger allein fühlt. Schafft meine Kunst
es, dass sich der Betrachter in meinem Gemälde verlieren und wiederfinden kann, um gestärkt in den Alltag zurückzukehren, ist das für mich das Größte.
Hast du schon einmal Feedback zu einem deiner Werke bekommen, das dich besonders berührt hat?
Tränen. Da waren Worte überflüssig.
Wenn du einen Wunsch für die Menschen hättest, die deine Kunst sehen, welcher wäre das?
Ich wünsche ihnen, dass sie erkennen, dass sie nicht allein sind, sondern zu etwas Größerem dazugehören – im Leben wie im Tod.
Was machst du, wenn du gerade nicht malst?
Ich verbringe Zeit im Garten. Ich bin eine kleine Kräuterhexe und liebe meinen Kräutergarten.
Hast du eine Philosophie, die dich durchs Leben führt?
Ich verzichte seit 2012 auf Lebensmittel, Kleidung und Kosmetik mit Inhaltsstoffen tierischen Ursprungs. Arthur Schopenhauer (deutscher Philosoph, 1788–1860) sagte schon: „Die Welt ist kein
Machwerk, und die Tiere sind kein Fabrikat zu unserem Gebrauch. Nicht Erbarmen, sondern Gerechtigkeit ist man den Tieren schuldig.“
Wenn du dich selbst als Farbe oder Pinselstrich beschreiben müsstest, welche wäre das? Warum?
Ich muss schmunzeln, ich kann nur eins sagen: „schwarz“. In keiner anderen „Farbe“ fühle ich mich so wohl und geborgen. Wenn wir schwarz und weiß außen vor lassen, würde ich sagen … puh … grau.
So gerne ich mit Farben male, an mir selbst trage ich sie kaum. Innerlich würde ich sagen: schwarze Hülle, unter der Oberfläche grau, darunter rosa.
Welches Buch, Musikstück oder Film hat deine Kunst beeinflusst?
Die „Unendliche Geschichte“ von Michael Ende, das Werk von H.R. Giger und so unaussprechlich viel Musik, dass ich mich nicht entscheiden kann, welche ich hier nennen soll.
Mit welchem Material würdest du nie arbeiten?
Ohrenschmalz.
Wenn du dir aussuchen könntest, in welcher Epoche du Künstlerin wärst, welche wäre das?
Ich würde nicht weit zurückreisen, nur ca. 50 Jahre. In den 70ern würde ich mich bestimmt wohlfühlen.